Wie Gaming den Lebenslauf aufs nächste Level bringt!
Thomas Lewisch – Boardlead Aus-&Weiterbildung | Juli 2022
Als die ersten Videospiele vor Jahrzehnten auf den Markt kamen wurden sie von der breiten Öffentlichkeit als Zeitverschwendung ohne großem Mehrwert angesehen. Doch das Klischee von Gamer:innen, die ihre Tage in dunklen Zimmern ohne soziale Kontakte verbringen, ist längst nicht mehr aktuell. Durch Smartphones, dem Ausbau des 5G-Netzes und nicht zu vergessen der Digitalisierung ist Gaming mittlerweile ein Teil der Gesellschaft. Man spielt über Smartphones, Computer oder Konsolen gemeinsam mit Freunden und Teammitgliedern und ist dabei via Voice Chat stets weltweit miteinander verbunden, tauscht sich aus und verfolgt gemeinsame Ziele. Globale Pandemien oder kulturelle Unterschiede sind dabei nebensächlich.
Dass die Thematik auch bereits in Österreich angekommen ist, zeigt vor allem die E-Sport Marktanalyse, die von Nielsen im Auftrag der A1 Telekom durchgeführt wurde. Bereits 56% der österreichischen Bevölkerung geben an, regelmäßig Videospiele zu spielen.
Manche bewirtschaften virtuelle Farms und versuchen möglichst viel Umsatz zu machen, um sich neue Tiere oder mehr Land zu leisten. Andere hingegen leiten riesige Abenteurergruppen, mit denen sie Strategien entwickeln, um legendäre Monster zu besiegen. Wenn man sich diese Spielziele genauer ansieht, erkennt man sehr schnell Parallelen zu unserem heutigen Alltag. Viele Fähigkeiten, die Spieler:innen zur Bewältigung der Aufgaben in Videospielen benötigen, sind auch in der Berufswelt sehr gefragt – Teamwork, Lösungsorientierung, Reaktionsfähigkeit, Strategie, und vieles mehr. Hier sind zehn wesentliche Skills, die durch Gaming ganz automatisch trainiert werden und einen Unterschied bei der Auswahl der Arbeitnehmer:innen der Zukunft machen können:
#1 Kreativität & Innovation
Die rasante Entwicklung und die Komplexität der heutigen Probleme erfordert Kreativität und eine Denkweise, bei der über den Tellerrand hinausgeschaut wird. Während der globalen Pandemie lag es an den Menschen, neue Möglichkeiten für alte Gewohnheiten zu finden, virtuelle Messen, Fernunterricht über Kommunikationsplattformen oder medizinische Diagnosen ohne direkt beim Arzt zu sein. In Videospielen entdecken Spieler:innen fantastische Welten mit Fabelwesen, anderen Kulturen und vielen anderen Aspekten die sich von der “realen Welt” unterscheiden.
Manchmal müssen sie sogar selbst diese Welt aufbauen und können ihrer Kreativität freien Lauf lassen, wie zB in der Aufbausimulation Minecraft, wo Spieler:innen sich eigene Häuser oder andere Strukturen bauen können. Es gibt sogar einzelne User:innen die ganze Städte in der virtuellen Welt nachgebaut haben bzw. ihre eigenen Universen erschaffen.
Diese Kreativität hilft dabei, anders an Probleme im Arbeitsalltag heranzugehen oder komplett neue Designs für Produkte zu entwickeln. Wie in Videospielen sind die Möglichkeiten hier grenzenlos.
#2 Problemlösung
Viele Videospiele stellen Spieler:innen vor neue Hindernisse, die sie direkt bewältigen müssen, um voranzukommen. Je nach Schwierigkeitsgrad und Art des Spiels variieren die Aufgaben und Rätsel und trainieren damit den eigenen Umgang mit Problemen. Diese Herangehensweise lässt sich auch einfach auf die Aufgaben und Projekte im Job projizieren. Die Komplexität der Probleme, mit denen die Mitarbeiter:innen im Alltag konfrontiert werden, hängt stark von der Position und dem den Aufgaben ab, doch egal wo gilt: Je schneller und effizienter diese gelöst werden, umso besser ist es für den Job und auch für das eigene Leben. Rätselspiele oder Strategiespiele helfen dabei, diese Fähigkeiten zu stärken und eröffnen dabei komplett neue Möglichkeiten am Arbeitsmarkt.
#3 Strategische Planung
In großen und auch in kleinen Unternehmen gibt es viele Individuen, die strategische Entscheidungen treffen müssen, die sich nachhaltig auf den Erfolg auswirken können. In vielen Videospielen werden Spieler:innen auch mit hochkomplexen Entscheidungen konfrontiert. Risiken werden abgewogen, Erfolge berechnet und Pläne geschmiedet, um diese Herausforderungen zu meistern. Manchmal sogar gemeinsam in einem Team. Für jede Aufgabe wird eine individuelle Lösung gefunden, die den besten Ausgang für die Spieler:innen bedeutet. Was passiert, wenn sich die Umstände ändern? Dann wird adaptiert, angepasst und verbessert, bis das Ergebnis wieder stimmt. Diese Herangehensweise kann im Arbeitsalltag einen wesentlichen Unterschied machen.
#4 Soziale Kontakte
Durch das Internet ist es mittlerweile möglich, mit Personen weltweit zu kommunizieren und auch zu spielen. In Videospielen treffen Menschen verschiedener Kulturen mit unterschiedlichen Sprachkenntnissen und verschiedensten Hintergründen zusammen. Durch die Erfahrung mit Menschen fällt es Gamer:innen oft auch im Alltag leichter, sich auf die verschiedensten Kontakte einzulassen und gleichzeitig auch kulturelle Barrieren zu respektieren.
#5 Teamwork
Gemeinsam bewegt man mehr als alleine. Das gilt nicht nur im Alltag, sondern auch in der Videospielwelt. Nicht alle Games werden alleine gespielt, ganz im Gegenteil! Aufgrund der sozialen Interaktion sind sogenannte Multiplayer (Mehrspieler) Titel mit die beliebtesten Spiele am Markt. Gemeinsam mit dem Team müssen je nach Genre Aufgaben erledigt oder im direkten Duell das gegnerische Team bezwungen werden. Respekt, klare Kommunikation und eine geteilte Vision sind nur ein paar der Eckpfeiler, die ein gutes Team ausmachen. Dazu kommt noch, die individuellen Stärken und Schwächen jedes Teammitglieds zu kennen und damit eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. Spieler:innen, die sich also auf Spiele wie League of Legends, VALORANT oder andere E-Sport Titel spezialisieren, lernen schon sehr früh, wie wichtig Teamwork ist. Das macht sie zu einer idealen Ergänzung für jedes Team.
#6 Führungsqualitäten
Wie auch in der Berufswelt benötigen Teams meist eine Führungskraft, die darauf achtet, dass alle Teammitglieder am selben Strang ziehen, um die Ziele zu erreichen. In Videospielen gibt es verschiedene Möglichkeiten, in die Rolle eines Anführers zu schlüpfen. Ob als Kommandant einer Armee in Strategiespielen oder die Leitung sogenannter Gilden (riesige Gruppierungen von Spielern, die sich wie ein Verein zusammenschließen und gemeinsam spielen) in Rollenspielen. Es liegt an diesen Spieler:innen, Zeiten festzulegen, mit den anderen zu kommunizieren, Strategien zu entwickeln und die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen zu erkennen, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen. Diese Fähigkeiten werden mit der Zeit und durch verschiedene Spiele und Umfelder langfristig geprägt. Im Arbeitsumfeld sind das genau die Skills die Manager, CEOs und Teamleiter brauchen, um ihr Team zu motivieren und ein Auge darauf zu haben, dass alle gemeinsam auf das Ziel hinarbeiten.
#7 Fehlermanagement
In der Arbeitswelt werden Arbeitnehmer:innen immer wieder mit Fehlschlägen konfrontiert. Notwendige Daten sind aktuell nicht verfügbar, Produkte funktionieren nicht am Zielmarkt oder Strategien zur Akquirierung von Neukunden liefern nicht die richtigen Ergebnisse. Viele neue Arbeitnehmer:innen haben Angst vor Risiken oder Fehlern, da ihnen in diesem Bereich die Erfahrung fehlt. Trial and Error – das ist der Standard in vielen Videospielen. Immer schwieriger werdende Level oder Spielmechaniken, die den kleinsten Fehler bestrafen sind heute Gang und Gebe. Schlägt eine Strategie fehl, können Gamer:innen einfach den “Try Again” Button drücken und so üben, Fehler zu machen, zu adaptieren und wiederholen, bis sie letztendlich das Ziel erreicht haben. Sie akzeptieren die Herausforderung und bauen ein Mindset auf, bei dem sie erst aufhören, wenn das Ziel erreicht ist, egal wie viele Fehler am weg dahin passieren.
#8 Multi-Tasking
Die Zeiten sind schon ziemlich lange vorbei. in denen man Videospiele als einfach bezeichnen konnte Wer sich heute in moderne Spiele stürzt, der wird gleich von mit einer Vielzahl an Spielmechaniken, Gegnern und Gegenständen konfrontiert. Dabei müssen manchmal Aufgaben gelöst, gleichzeitig die virtuelle Karte im Blick gehalten und mit Ressourcen korrekt gewirtschaftet werden. Das sind viele Dinge auf einmal. Die situativen Entscheidungen und das Management, dass benötigt wird um solche Spiele zu spielen, verstärkt die persönlichen Fähigkeiten im Umgang mit mehreren Aufgaben und hilft dabei, Ablenkungen zu vermeiden. Im Arbeitsalltag steigert das die Produktivität und damit auch die Performance von Mitarbeiter:innen.
#9 Reaktionsfähigkeit & Motorische Fähigkeiten
Schon seit der Zeit der ersten Videospiele geht es um Reaktionsfähigkeit und motorische Fähigkeiten mit dem Controller. Früher musste man nur die Taste im richtigen Moment drücken um über ein Fass bei Donkey Kong zu springen, während man dabei Mario in Richtung Highscore steuerte. Heutzutage sind sowohl die Spiele als auch die Steuerung wesentlich komplexer. Jede Situation kann über Erfolg oder Niederlage entscheiden. Im Bruchteil von Sekunden muss die richtige Taste gedrückt werden, sonst war die bis zu diesem Punkt investierte Zeit umsonst. Es gibt einen Grund, warum Ärzte, Rennfahrer oder Piloten an Simulatoren üben: Damit sie auch im Ernstfall schnell reagieren können. Wer also Videospiele spielt könnte auch für einen dieser Berufe qualifiziert sein.
#10 Geduld und Entschlossenheit
In den letzten Jahren gab es einen Trend in der Videospiel Szene, sogenannte Soulslike Spiele. Diese besonders schweren Games, die auf den Urvater des Genres Dark Souls zurückgehen, verlangen vor allem Geduld und Ausdauer. Manchmal braucht es über 500 Versuche, bis ein Gegner bezwungen ist. Doch Spieler:innen haben nur ein Ziel im Kopf, dass sie entschlossen versuchen zu erreichen: Den große Schatz am Ende des Levels. Geduld und Entschlossenheit sind Eigenschaften, die Menschen helfen können, sowohl im privaten als auch im professionellen Umfeld erfolgreich zu sein. Personen, die verstehen, wie sie mit diesen Skills herausfordernde Situationen meistern, sind auch entschlossen, sich durch Training und Ausbildung zu kämpfen und in den Rängen zu steigen, um ein wertvoller Teil des Unternehmens zu werden.
Wie ist die aktuelle Lage in Österreich?
In Österreich gibt es bereits erste Pioniere, die das Potenzial von Gaming erkannt haben und auch im Recruiting einen Schwerpunkt auf die Zielgruppe der Gamer:innen setzen. Im Rahmen des A1 Austrian eSports Festival 2022 gab es erstmalig eine Job Zone mit Vertretern der österreichischen Hochschulen und Unternehmen wie A1, PwC oder Austro Control, die über zahlreiche Job- und Studienangebote informierten und Gamer:innen damit Mut machten Gaming und E-Sport im Lebenslauf aufzunehmen. HR Spezialisten können durch gezielte Fragen zu Videospielen einen Einblick in das Mindset der Bewerber:innen bekommen. Welche Spiele spielen sie? Spielen sie alleine oder mit Freunden? Warum spielen sich gewisse Genres? Was ist frustrierend? Wie haben sie die Skills im Spiel bereits in der “echten Welt” angewandt? Dabei wird nicht nur die Anspannung genommen, weil die Bewerber:innen über Themen reden können, die sie begeistern. Auch zeigen sich versteckte Potenziale, die man sonst im Bewerbungsgespräch übersehen hätte.
Doch nicht nur beim Recruiting, sondern auch bei der Ausbildung bzw. im Arbeitsalltag gibt es bereits erste spielerische Ansätze. A1 versucht mit einer eigens geschaffenen Lehrlings-App Wissensvermittlung mit Spaß zu verbinden um einen Anreiz für selbstgesteuertes Lernen zu schaffen.
Auch international gewinnt das Thema immer mehr an Bedeutung. So wurden “Gamer-Skills” auch schon von renommierten Wirtschaftsmagazinen wie Forbes in einem Artikel näher beleuchtet. Arbeitgeber:innen, die die Vorteile von Gaming früh erkennen, können neue Mitarbeiter:innen gewinnen, die mit ihren Fähigkeiten und ihrer Denkweise das Unternehmen im 21. Jahrhundert zu neuen Erfolgen führen. Im nächsten Schritt könnte man auch überlegen, das Arbeitsumfeld zu reformieren und Gamification fest am Arbeitsplatz zu integrieren. Ein Level Up bei Zielerreichung oder sammelbare Errungenschaften wenn Meilensteine im Projekt erreicht wurden, verbinden Methoden, die Gamer:innen gewohnt sind, mit ihren Arbeitsaufgaben und schaffen damit ein komplett neues Erlebnis in dem alle Parteien profitieren könnten. Die Zukunft für Gamer:innen in der Wirtschaft wird auf jeden Fall spannend!